Corona: Behindern Masken die Sprachentwicklung bei Kleinkindern?
Die britische Schulaufsichtsbehörde Ofset hat 70 Betreuungspersonen zwischen dem 17. Januar und 4. Februar 2022 befragt, ob es einen Effekt auf Kommunikation und Gefühlsregulierung von Kleinkindern und Babys gibt, wenn sie bei Erwachsenen die Mundregion im Alltagssituationen nicht sehen können. An der Befragung nahmen 38 Tagesmütter und 32 Beschäftigte von Kindertagesstätten oder Krippen teil. Die Ergebnisse sind aufgrund der recht kleinen Stichprobe und der Methode nicht repräsentativ, liefern jedoch wichtige Hinweise darauf, welche Folgen das Masketragen für die Kleinsten haben könnte. Weitere Forschung dazu ist jedoch nötig, um den Effekt zuverlässig abschätzen zu können.
Schwierigkeiten bei der Sprachentwicklung
Viele Befragte bemerkten, dass sich die Sprachentwicklung der Kinder während der Pandemie verzögerte. Sie berichteten, dass mehr Kinder über einen begrenzteren Wortschatz verfügten im Vergleich zu den Kindern, die sie vor der Pandemie betreut hatten. Ob sich diese Schwierigkeiten direkt auf das Masketragen der Betreuungspersonen zurückführen lässt, wurde nicht untersucht, erscheint aber plausibel.
Die Kinder konnten in einer sensiblen Phase der Sprachentwicklung wichtige Nachahmungsschritte nicht gehen, weil es ihnen nicht möglich war, die Mundregion der Erwachsenen um sie herum zu beobachten. Damit konnten sie nicht sehen, wie sich Lippen, Zunge, Zähne und Kiefer bei der Lautbildung bewegen. Die Stellung der Sprachwerkzeuge werden von Kleinkindern normalerweise sehr aufmerksam beobachtet und nachgeahmt.
Eine andere Beobachtung war, dass Kinder mit weniger Selbstvertrauen zu sprechen begannen. Mehr Kinder als üblich waren ungewöhnlich schüchtern bei Gruppenaktivitäten. Dazu könnten aber auch weitere Faktoren beigetragen haben, wie z. B. die allgemeine Kontaktreduzierung, Abstandsgebote und eine gedrücktere Stimmung bei den Erwachsenen.
Schwierigkeiten bei der Emotionsregulierung
Einigen Babys fiel es schwer, auf Gesichtsausdrücke angemessen zu reagieren. Die Studienautoren vermuten, dass die Bedeckung der Mundregion bei Erwachsenen dabei eine Rolle spielen könnte, weil darüber basale Emotionsregionen ausgedrückt werden. Die Kinder hatten mehr Schwierigkeiten, Gefühle zu benennen und auszudrücken. Die Betreuungspersonen griffen öfter auf Hilfsmittel wie sogenannte Emotionskarten zurück, auf denen bestimmte Gesichtsausdrücke Gefühlen zugeordnet werden. Außerdem wurden Musikinstrumente, Tanz, Atemübungen und andere Requisiten eingesetzt, um das Ausdrücken von Gefühlen zu fördern.
Eine offene Frage ist, ob es eine Rückkopplung zwischen dem Mienenspiel und kognitiven sowie emotionalen Gehirnentwicklungsprozessen gibt. Hat es Folgen für die neuronale Entwicklung, wenn Kinder weniger Gesichtsausdrücke sehen und nachahmen können? Welche Auswirkungen hat es, wenn Erwachsene um sie herum angespannter sind? Wird das psychische Erleben und werden die Deutungsmuster dadurch kurz-, mittel- oder langfristig geprägt?
Die Pandemie an sich sorgte dafür, dass Kinder im Vergleich weniger Sozialkontakte hatten. Dadurch hatten sie auch weniger Gelegenheiten für soziales Lernen und Kontakte mit Gleichaltrigen. Einige Betreuungspersonen bemerkten, dass die Kinder mehr Unterstützung beim Teilen von Spielzeug und Abwechseln im Spiel brauchten. Außerdem waren in der Pandemie das freie Spiel und unbeschwertes Herumtoben weniger gut möglich.
All diese Faktoren trugen offenbar dazu bei, dass es kleinen Kindern und Babys insgesamt schwerer fiel, mit Gleichaltrigen Kontakt aufzunehmen. Wenn jetzt darüber nachgedacht wird, wie sich solche Defizite aufholen lassen, sollte man nicht nur durchstrukturierte Angebote in Betracht ziehen. Mehr Therapieangebote sind sicher nötig, aber genauso wichtig ist es, dass Kinder Freiraum bekommen, um komplexe Begegnungen mit anderen zu haben und Erfahrungen machen zu können, die während der Zeit mit starkem Infektionsgeschehen schwieriger waren.
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