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Corona-Update: Impfpflicht und Herdenimmunität

Die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Impfpflicht ist vom Bundestag abgelehnt worden. Was das für den weiteren Verlauf der Pandemie in Deutschland bedeuten könnte, hängt von vielen Faktoren ab. Das ursprünglich mit einer Impfpflicht angestrebte Ziel der Herdenimmunität ist zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch.

Gescheiterte Impfpflicht könnte Impfmüdigkeit fördern

Am 7. April 2022 lehnte der Bundestag 4 Anträge für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab. Auch für den parteiübergreifenden Kompromiss, Menschen ab 60 Jahren zu einer Corona-Impfung zu verpflichten, gab es keine Mehrheit. Damit wird es in Deutschland in absehbarer Zeit keine Verpflichtung geben, sich gegen Corona impfen zu lassen – mit Ausnahme der Menschen, die im Gesundheitswesen oder einer Pflegeeinrichtung arbeiten. Für sie gilt seit 15. März 2022 eine einrichtungsbezogene Impfpflicht, um besonders gefährdete Risikogruppen zu schützen.

Die Diskussionen um eine allgemeine Impfpflicht waren entstanden, weil die Impfbereitschaft in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern niedriger ist. Vor allem die Impflücke bei älteren und vorerkrankten Menschen gilt als Risikofaktor für eine mögliche Überlastung des Gesundheitssystems. Die Befürchtung, dass mit dem Beginn der kalten Jahreszeit erneut zu viele Menschen gleichzeitig mit schweren Covid-Verläufen stationär behandelt werden müssen, ist nach wie vor groß. Zwar erkrankt durch die Omikron-Variante ein geringerer Anteil an infizierten Menschen schwer, da die absolute Zahl der Ansteckungen jedoch gleichzeitig sehr viel größer ist als bei Vorgängervarianten, nimmt die absolute Zahl an schweren Verläufen im Vergleich zu früheren Varianten nicht in gleichem Maße ab.

Viele Experten stellen der Kommunikation rund um die Impfungen ein schlechtes Zeugnis aus. Zu Beginn der Impfkampagne wurden sie als entscheidendes Mittel zur Beendigung von unbeliebten Infektionsschutzmaßnahmen dargestellt. Dabei gab es zu diesem Zeitpunkt schon viele Hinweise darauf, dass die Impfungen nicht alle Ansteckungen verhindern können und nicht-pharmakologische Maßnahmen wie Maskentragen, Lüften und Kontaktbeschränkungen weiterhin nötig bleiben. Kommunikationsforscherinnen stellen fest, dass mangelndes Vertrauen in politische Akteure die Impfmüdigkeit steigert. Falschinformationen über Risiken der Impfungen sorgten für zusätzlichen Vertrauensverlust.

Mit der gescheiterten Abstimmung über die Impfpflicht ist zu erwarten, dass die Impfbereitschaft insbesondere bei impfkritischen Gruppen weiter abnimmt. Da der weitere Impffortschritt jetzt maßgeblich von einer guten Impfkommunikation abhängt, muss eine Neuauflage der Impfkampagne die Forschungsergebnisse rund um die Gesundheitskommunikation stärker berücksichtigen.

Herdenimmunität ist kein realistisches Ziel 

Die Debatte um eine Impfpflicht hatte sich zuletzt verstärkt, nachdem Omikron in Deutschland zur dominanten Sars-CoV-2-Variante wurde. Denn Omikron ist in der Lage, den Immunschutz teilweise zu umgehen. Eine Herdenimmunität kann bei Covid nicht erreicht werden, solange die Impfstoffe zwar schwere Verläufe recht zuverlässig verhindern können, eine Ansteckung jedoch nicht. Darauf weist auch Anthony Fauci hin, der Direktor des nationalen US-amerikanischen Instituts für Infektionskrankheiten und Berater der US-Regierung.

In das Erreichen einer Herdenimmunität wurden zu Beginn der Pandemie große Hoffnungen gesetzt, weil damit auch eine Ausrottung des Virus möglich schien. Dieses Ziel ist jedoch bei einem durch Aerosole übertragbaren Virus, das sich noch dazu genetisch verändert, unrealistisch. Durch das Auftreten neuer Varianten ist eine dauerhafte individuelle Immunität durch Infektion oder Impfung nicht zu erwarten.

Auch die Erfahrungen mit anderen Erregern, wie zum Beispiel Polio und Masern, legen nahe, dass das Ziel, gefährdete Gruppen allein durch Impfungen zu schützen, sehr schwierig ist. Auch bei einer rechnerischen Herdenimmunität (die bei unterschiedlichen Erregern unterschiedlich hohe Impfquoten erfordert), kommt es immer wieder zu Ausbrüchen. Fauci betrachtet das Konzept der Herdenimmunität zwar als nützliches Instrument, um den Verlauf von Epidemien zu beschreiben, als praktisches Mittel zur Bekämpfung von Epidemien sei es jedoch ungeeignet.

Der Wert der Impfungen sei dennoch sehr groß, da ein hohes Maß an Hintergrundimmunität die Zirkulation des Virus verlangsamen und eindämmen kann. Je höher die Hintergrundimmunität in der Bevölkerung ist, desto unwahrscheinlicher werden schwere Ausbrüche mit vielen Infizierten, von denen ein gewisser Anteil schwer erkrankt und stirbt.

Fauci und andere Experten sind deshalb optimistisch, dass die Viruszirkulation mithilfe der Impfungen, Eindämmungsmaßnahmen und wirksamen Medikamente in Zukunft weiter abnimmt und schwere Ausbrüche seltener werden. Wie schnell eine vollständige Kontrolle des Virus erreicht werden kann, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt aber unklar. Fest steht, dass Covid zur heimischen Krankheit geworden ist und eine Gesundheitsgefahr für einen bedeutenden Teil der Bevölkerung darstellt.

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