Gefährliche Medikamente für Ältere
Hausarztpraxen als erste Ansprechpartner für Medikamente
Medikamente können Nebenwirkungen haben. Sie können müde machen, Blutdruckschwankungen verursachen oder Sehstörungen. Sie können sogar Demenz-Symptome auslösen oder lebensbedrohlich sein. Welche Nebenwirkungen Medikamente haben, sollten Ärzte immer im Blick haben. Doch wenn Patientinnen mehrere Medikamente gleichzeitig nehmen, ist das gar nicht so einfach. Vor allem nach Krankenhausaufenthalten oder bei Arztwechseln empfiehlt sich deshalb ein Check. Denn: Jeder zweite Patient über 65 Jahre bekam im Jahr 2022 mindestens einmal ein potenziell unpassendes Medikament, das zu unerwünschten Wechsel- und Nebenwirkungen führen kann – rund 8,3 Millionen ältere Menschen. Das stellt ein aktueller Bericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) fest.
So ging es auch Frau B. Die 72-Jährige war ins Krankenhaus eingeliefert worden, weil sie Schwindel, Husten und Herzrasen hatte. Außerdem wirkte sie stark verwirrt. Auf ihrer Medikamentenliste standen 10 Präparate, die sie regelmäßig einnahm – auch nach dem Krankenhausaufenthalt, in dem sich ihr Zustand nicht verbessert hatte. Erst als der Hausarzt die Medikamente kontrollierte und 7 Arzneimittel strich, verschwand ihre vermeintliche Demenz. Die Kombination aus Diuretika und Herztabletten hatte die Probleme verursacht.
Dieser Fall ist in einer kürzlich erschienen Broschüre des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) enthalten und zeigt, wie wichtig die Arbeit von Hausarztpraxen ist. Sie sind erste Ansprechpartner bei der Erstellung und Pflege von Medikationsplänen.
Besondere Herausforderung: Medikamente im Alter
Ältere Menschen haben ein höheres Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen. Sie sind oft chronisch krank oder haben mehrere Erkrankungen, die medikamentös behandelt werden müssen. Manche Wirkstoffe haben ein größeres Potenzial für schädliche Wirkungen und sollten bei Menschen, die älter als 65 Jahre sind, vermieden werden.
WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder sagt: „Wir haben bei diesem Thema kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. 43 % der 16,4 Millionen AOK-Versicherten in der Altersgruppe über 65 Jahren wurde laut der AOK-Analyse mit mehr als 5 verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig behandelt – Frauen öfter als Männer. Das Verordnungsverhalten unterschied sich regional, so dass es in einigen Gebieten ein höheres Potenzial für Verbesserungen gibt.
Mehr als die Hälfte der problematischen Verordnungen bezog sich auf Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Diese Wirkstoffe können die Säureausschüttung in den Drüsenzellen des Magens um bis zu 90 % hemmen. Vor allem bei einer PPI-Dauertherapie, die länger als 8 Wochen läuft, können problematische Effekte auftreten.
Es gibt aber auch erfreuliche Entwicklungen: In den vergangen 10 Jahren ging der Verordnungsanteil von potenziell inadäquaten Medikamenten bei älteren Menschen zurück. 2013 betrug er noch 14,6 %, im Jahr 2022 lag er nur noch bei 12,3 %.
Arbeitshilfen für Praxisteams
Die Priscus-Liste hilft, diese „potenziell inadäquaten Medikamente“ (PIM) im Blick zu behalten. Die im Juli aktualisierte „Priscus 2.0“-Liste führt 187 Arzneistoffe auf – mehr als doppelt so viele wie in der Vorgängerversion. Die AOK hat die Liste kompakt zusammengefasst. Dieser Überblick kann kostenlos heruntergeladen werden und passt auf jeden Schreibtisch.
Priscus 2.0 baut auf der im Jahr 2010 herausgegeben ersten Fassung auf. Sie wurde jetzt durch ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaft und Praxis erweitert. Wichtige Medikamentengruppen in der neuen Fassung sind Magenschutzpräparate, Schmerzmittel, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden.
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