Warnzeichen verpasst – wenn Mitarbeitende plötzlich kündigen
Eine Kündigung ist eine einseitige Willenserklärung. Das heißt, wer geht, ohne dass es vorher Anzeichen eines Wechselwillens gegeben hat, ist fest entschlossen, sich zu verändern. Alternative Austrittswünsche wie z. B. einen Aufhebungsvertrag hat die/der Kündigungswillige nicht in Erwägung gezogen. Und so müssen Arbeitgebende die Fachkräfte entsprechend der vertraglichen Regelungen ziehen lassen. Trotzdem sollten weder Praxisleitung noch Team beleidigt sein, sondern unbedingt das konstruktive Gespräch suchen. Diesen Prozess nennt man Offboarding oder Exit-Management.
Risiko: Mitarbeitende ohne emotionale Bindung
Jedes Jahr seit 2001 wird der Gallup Engagement Index Deutschland veröffentlicht. Die repräsentative Studie erkundet anhand von 12 Fragen zum Arbeitsplatz und -umfeld, wie emotional Mitarbeitende an ihre Arbeit gebunden und entsprechend motiviert und engagiert sind. Die aktuellen Ergebnisse für Deutschland aus Dezember 2023 stellten die bisher höchste Zahl von Mitarbeitenden ohne emotionale Bindung seit 2012 fest. Danach waren 19 % der deutschen Arbeitnehmenden im Jahr 2023 nicht emotional gebunden – ein Anstieg um fünf Prozentpunkte gegenüber 2021. Zwar suchen 45 % der deutschen Arbeitnehmenden nicht aktiv nach einem neuen Arbeitsplatz, aber knapp jeder 5. deutsche Beschäftigte ist für neue Herausforderungen bereit, den Arbeitgeber zu wechseln. Der dadurch entstehende Produktivitätsverlust für die deutsche Wirtschaft liegt zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro. Was es für Arztpraxen bedeutet, bekommen wir regelmäßig mit, wenn infolge Fachkräftemangel Sprechzeiten reduziert werden oder ganz ausfallen müssen.
Sprechen, auch wenn alles zu spät scheint
Mitarbeitende durch gute Arbeitsbedingungen, Benefits und aufrichtige Wertschätzung emotional an die Praxis zu binden, ist daher Prävention vor einem unerwarteten Personalverlust. Hier soll es darum gehen, was zu tun ist, wenn eine Leistungsträgerin oder ein Leistungsträger das Praxisteam plötzlich verlassen möchte.
Die Person, die die Personalverantwortung in der Praxis hat, sollte sofort einen Gesprächstermin mit ausreichend Zeit zur Aussprache anbieten. Das wird in den meisten Fällen die ärztliche Praxisleitung sein, in MVZ oder größeren Einrichtungen aber auch das Personalmanagement oder die Praxismanagerin bzw. der Praxismanager. Zum einen geht es darum, die konkreten Gründe für die Kündigung zu erfahren und daraus notwendige Veränderungen für die Zukunft abzuleiten. Zum anderen wird ein geordneter Übergang möglich, wertvolles Wissen bleibt erhalten und juristische Auseinandersetzungen werden vermieden.
Häufigster Grund: Stress und schlechte Bezahlung
Forschende des Instituts für Arbeitsmedizin der Universität Düsseldorf untersuchen seit Jahren diverse Aspekte von Arbeitsstress, auch von MFAs. Sie stellten ein außerordentlich hohes Stresslevel fest: Bei 3 von 4 MFAs waren die Anstrengungen für die Arbeit höher als die Belohnungen.
Kündigungsgründe sind – unabhängig von der Branche – gut erforscht. Relevant sind:
Mitarbeitende passen nicht ins Unternehmen oder zur Stelle
Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten
Belastungsfähigkeit und individuelle Resilienz
Zufriedenheit mit der eigenen beruflichen Karriere und allgemeine Lebenszufriedenheit
Mitunter liegen die Gründe für eine spontane Kündigung gar nicht in der Praxis, sondern im privaten Lebensbereich. Das können Hochzeiten, Trennungen, Todesfälle in der Familie, aber auch Wegzüge oder Eintritte in den Ruhestand von langjährigen Kolleginnen sein. Auch und gerade dann sind Praxisleitungen gut beraten, die Zeit bis zum endgültigen Abschied würdevoll zu begleiten.
Wie der Abschied auf Raten gelingt
Wo am Limit gearbeitet wird, können die Antennen für Missstimmungen versagen. Werden im Offboardinggespräch Hinweise auf strukturelle, menschliche oder gar persönliche Defizite in der bisherigen Praxisführung gegeben, sind diese zu notieren und nicht zu diskutieren. Die Person hat bereits gekündigt, weil sie nicht mehr an Verbesserungen in ihrem Arbeitsumfeld glaubt. Für die Praxisleitung sind sie jedoch als Handlungsaufforderung zu verstehen.
Wer noch im nahenden Abschied wertgeschätzt wird, wird Erfahrungen und Wissen weitergeben. Das gilt insbesondere für spezialisierte Verantwortungsbereiche und Leitungsaufgaben. Festgelegtes wird im Übergabeprotokoll archiviert, am besten digital und wiederauffindbar. Besprochen werden sollte u. a.:
Wie lange ist die/der Mitarbeitende noch im Dienst? Ist Resturlaub zu nehmen?
Welche Dokumente müssen gesichert werden?
Sind Termine und Fristen zu beachten?
Sind Berechtigungs-, Zugangs- oder Unterschriftsverantwortlichkeiten zu klären?
Werden für spezialisierte Abläufe Checklisten übergeben?
Gibt es Aufgaben, die ein verbleibendes Teammitglied übernehmen möchte und kann?
Welche Kompetenzen sollte eine Nachfolgerin/ein Nachfolger unbedingt mitbringen? Ist die scheidende Person bereit, Bewerbungsgespräche zu organisieren und daran teilzunehmen?
Wer stellt das Arbeitszeugnis in welcher Form aus?
Naht der letzte Arbeitstag, sollte das Praxisteam eine Verabschiedung vorbereiten, bei der dem langjährigen Teammitglied gedankt und alles Gute gewünscht wird. So geht die Person mit dem Gefühl, einen neuen beruflichen Weg anzutreten, mit wertvollen Erfahrungen, die sie in dieser Praxis, mit diesem Team, sammeln konnte. Im besten Fall bleibt sie dankbar für diese Etappe ihrer Karriere.
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