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Darmkrebs: Die Tücken der Früherkennung

Die Darmkrebsfrüherkennung wird in Deutschland so häufig durchgeführt wie in kaum einem anderen europäischen Land. Etwa die Hälfte der Bevölkerung zwischen 65 und 80 Jahren hatte in den vergangenen 10 Jahren eine Koloskopie. Doch trotz dieser hohen Akzeptanz ist die Qualität des Früherkennungsprogramms nicht durchgängig gut. Woran das liegt und wie sich das ändern könnte.

Das Risiko für Darmkrebs ist nicht für alle gleich hoch

Ungefähr 26 von 1.000 Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an Darmkrebs und sterben auch daran. Bei Männern sind es 32 von 1.000. Das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, steigt mit dem Alter und wird vor allem durch genetische Faktoren weiter erhöht. So verdoppelt sich das Erkrankungsrisiko, wenn Eltern oder Geschwister bereits Darmkrebs hatten. Deshalb kommt es nicht nur darauf an, dass möglichst viele Menschen die Früherkennunsguntersuchung wahrnehmen, sondern vor allem diejenigen, die ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs haben.

Bei der Koloskopie können nicht nur Wucherungen der Darmwand, die in den Darm hineinreichen (Darmpolypen), früh erkannt, sie können bei der Darmspiegelung auch gleich entfernt werden. Manche der Polypen bleiben nämlich nicht klein, sondern wachsen über die Jahre und werden bösartig. So trägt eine Koloskopie auch dazu bei, dass sich Darmpolypen gar nicht erst zu Krebs entwickeln, der fast immer im Dickdarm entsteht.

Die Daten zeigen: Von 1.000 Männern, die 50 Jahre alt sind, erkranken 7 und sterben 2 in den nächsten 10 Jahren an Darmkrebs. In den 10 Jahren nach einer Darmspiegelung erkranken 1 bis 5 Männer weniger und es stirbt ein Mann weniger. Aber: Die Darmspiegelung führt bei 2 von ihnen zu Komplikationen, z. B. zu Blutungen.

Aber bei der Koloskopie liegt noch mehr im Argen.
 

Kritik an Über- und Unterversorgung bei der Darmkrebsfrüherkennung

Circa 40 % der Personen, die einen unauffälligen Koloskopie-Befund hatten, werden ohne Anlass bereits innerhalb der ersten 10 Jahre erneut untersucht. Sie bekommen eine frühere Kontrolluntersuchung als vorgesehen. Andererseits werden Personen, die aufgrund vorausgehender Befunde von einem kürzeren Untersuchungsintervall profitieren würden, nicht zu einer Kontroll-Koloskopie aufgefordert. Ulrike Haug vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen sagt: „Nach unseren Daten hatten 35 % der Personen mit Krebsvorstufen auch nach 5 Jahren noch keine Kontroll-Koloskopie, die eigentlich vorgesehen ist, da diese Gruppe ein erhöhtes Darmkrebsrisiko hat.“ Das heißt, es gibt sowohl Über- als auch Unterversorgung bei der Darmkrebsfrüherkennung.

Frauen haben dabei ein besonderes Problem. Sie bekommen von ihren Gynäkologinnen oftmals routinemäßig einen Stuhltest angeboten, ohne dass sie gefragt werden, ob sie in den letzten 10 Jahren schon eine Koloskopie hatten. Monika Lelgemann vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) kritisiert das: „Was uns umtreibt, ist die indikationslose Ausgabe der Stuhltests bei jedem Frauenarztbesuch.“
 

Welche Verbesserungsvorschläge im Gespräch sind

Daten zeigen, dass Patienten, bei denen Polypen entfernt wurden, von kürzeren Untersuchungsintervallen profitieren. Kommt so jemand nach 6 bis 8 Jahren zur Kontrollkoloskopie statt nach 4 bis 6 Jahren, steigt der Wert eines Darmkrebsbefundes von 0,77 auf 1,74 pro 100 Untersuchten. Ulrike Haug sagt: „Das ist mehr als eine Verdoppelung. Beim längeren Intervall zeigte sich außerdem eine ungünstigere Stadienverteilung, das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen.“

Die Expertin sieht deshalb Bedarf, das Gute noch besser zu machen. Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein. So fordert Heidi Weber vom Hausärzteverband, dass das Einladewesen eine einheitliche Struktur haben solle. Fast jede Praxis und fast jeder Patient geht mit den Einladungen zur Darmkrebsfrüherkennung unterschiedlich um. Der Gynäkologe Volker Heinecke schlägt praxisinterne Recall-Systeme vor. Ulrike Haug sieht Vorteile in einem zentral organisierten Einladewesen.

Wenn das bestehende Recall-System nicht gut funktioniert, stellt sich auch die Frage, ob die empfohlenen Intervalle in den Praxen ausreichend bekannt sind. Der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) sagt:

  • Frauen zwischen 50 und 54 Jahren haben jedes Jahr Anspruch auf einen Test auf Blut im Stuhl
  • Alle Patienten können ab 55 wählen, ob sie im Abstand von 2 Jahren den Test machen wollen oder im Abstand von 10 Jahren eine Koloskopie
  • Männer haben schon ab dem 50. Lebensjahr die Wahl zwischen Test und Koloskopie und können bis zum Alter von 54 Jahren genau wie die Frauen den Test jährlich in Anspruch nehmen
  • Ist ein Stuhltest auffällig, besteht immer ein Anspruch auf Koloskopie

 

Die Frage ist auch, wie so ein zentral organisiertes Einladewesen funktionieren könnte, denn die Krankenkassen, die dazu technisch in der Lage wären, haben nicht die genauen Befunde vorliegen. Sie laden derzeit gemäß den Empfehlungen des G-BA ein.
 

Wie sich Praxisteams die Aufklärung erleichtern können

Praxisteams können sich die Aufklärungsarbeit mit Informationsmaterial erleichtern, das über die Kassenärztlichen Vereinigungen oder den G-BA als Flyer bestellbar ist (Flyer Darmkrebsfrüherkennung für Frauen ab 50, Flyer Darmkrebsfrüherkennung für Männer ab 50). Sie informieren nicht nur über die Untersuchung an sich, sondern helfen auch beim individuellen Abwägen, weil sie Vor- und Nachteile der Koloskopie beschreiben.

Gut verständliche Informationen für Patienten gibt es auch auf der Seite gesundheitsinformation.de. Hier werden Patienten mithilfe von Leitfragen durch den Entscheidungsprozess geführt und können anschließend leichter beurteilen, ob die Untersuchung für sie sinnvoll ist. 

Thema Abrechnung

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