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Mobil als MFA in Hessen: „Man muss das wollen“

Als sie sich beim PKV Institut zur Praxismanagerin weiterbildete, reifte eine Idee. 8 Jahre später setzte Melanie Dürr sie in die Tat um: Seit August 2023 überbrückt sie als mobile MFA personelle Engpässe in hessischen Praxen. Bedarfe sieht sie in weiteren Regionen. Als Unternehmerin weht ihr auch Skepsis entgegen, doch die Wertschätzung, die sie bei ihren Einsätzen erfährt, bestärkt sie.

Mittwoch, 19 Uhr. Zum Gespräch liegt ein Arbeitstag in einer hausärztlich-internistischen Praxis mit Schwerpunkt Diabetologie hinter ihr. Wäre Melanie Dürr angestellt, könnte sie es sich vor dem Fernseher gemütlich machen. Doch seit 1. August 2023 ist die 43-Jährige selbstständig als mobile MFA. Das heißt, nach Feierabend liegen Korrespondenzen, Buchhaltung und Interviews an.

 

Ständig Neugier auf Neues

Ihre Ausbildung begann Melanie Dürr 1996 in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie. „Mach Arzthelferin, da kannst du viel mehr“, empfahl ihr damaliger Chef. „Er hatte recht“, sagt Melanie Dürr rückblickend. Stationen in der Kardiologie, Inneren Medizin und Allgemeinmedizin folgten, schließlich 11 Jahre in der Neurochirurgie. Während ihrer 3-jährigen Arbeit in einer HNO-Praxis qualifizierte sie sich 2015, unterstützt vom Praxisinhaber, beim PKV Institut zur zertifizierten Praxismanagerin. In dem Jahr wurde sie vom PKV Institut auch als Zweite bei der Ausschreibung zur MFA des Jahres ausgezeichnet.

„Als Praxisleitung hast du immer mit Personalproblemen zu tun. Ich dachte, es muss doch jemanden geben, den du anrufen kannst, wenn jemand fehlt“, beschreibt sie erste Gedanken an eine Selbstständigkeit und begründet: „Sobald jemand fehlt, bist du verloren.“ In jeder Praxis erlebte sie das gleiche Dilemma, auch in der orthopädischen Praxis, in der sie zuletzt 3 Jahre angestellt arbeitete. „Ich habe viele Praxen durch, brauche Abwechslung und will lernen.“

 

Wo ist die nächste Station?

Das fragte sich Melanie Dürr, als sie den Röntgenschein abgelegt hatte und eine Weiterbildung im Qualitätsmanagement begann. Sie kündigte, um sich selbstständig zu machen. „Natürlich bekam ich eine Sperre von der Arbeitsagentur, aber mein Mann half mir bei meinem Vorhaben“, erzählt sie. Ihre Arbeitsberaterin unterstützte den Plan und genehmigte einen Bildungsgutschein, mit dem die Gründerin einen 3-monatigen Existenzgründerkurs besuchte. „Ein paar Mal habe ich überlegt, abzubrechen“, gibt die Mutter von zwei Kindern zu. „Ich habe mich gefragt, ob ich das schaffe.“ Die gesicherte Existenz verlassen? Aufträge nicht langfristig planen können? Was, wenn sie nichts verdient? Sind Mann, Kinder, Haus, Kredit und Unternehmertum unter einen Hut zu bekommen? Melanie Dürr stellte sich ihren Zweifeln und bekam viel Zuspruch von ihrer Familie, von Freunden und von der Gründerhilfe Hessen. Mit einem Gründerzuschuss und rechtlich abgesichert machte sie sich am 1. August 2023 selbstständig als mobile MFA. Ihr Gebiet: 50 Kilometer um Frankfurt am Main.

 

Willkommen als Urlaubsvertretung und zur Überbrückung bei Personalmangel

Zu ihrem ersten Auftrag als mobile Medizinische Fachangestellte kam Melanie Dürr 4 Tage vor ihrem Start als Unternehmerin durch Zufall: „Der Kinderarzt meiner Tochter suchte eine Urlaubsvertretung.“ Die nächsten Praxen akquirierte sie über ein Internet-Stellenportal. Zur aktuellen Praxis kam sie über Mundpropaganda. Es ist ihre 4. Einsatzstelle seit August. Den gesamten Monat Oktober wird die Mobile MFA dem Team einer neuen Praxis, das nicht ausreichend Personal bekam, aushelfen – in allen Bereichen, in denen eine Medizinische Fachangestellte tätig sein kann, von der Anmeldung bis zum Untersuchungsbereich. Mit einer Software-Schulung begann der Einsatz, am 2. Werktag startete Melanie Dürr im regulären Sprechstundenbetrieb. „Ich bin willkommen“, freut sie sich und stellt klar: „Ich bin hier, um zu helfen, und möchte niemandem den Posten wegnehmen. Ohne mich würde es gar nicht gehen.“ Melanie Dürr ist bewusst, dass sie zu Problempraxen geht, in denen „MFAs auf dem Zahnfleisch laufen“. Die Wertschätzung, die sie erfährt, macht sie zufrieden und motiviert.

 

Keine Kleinunternehmerin

Und noch etwas hat die bisher auf die Arbeit in Facharztpraxen fokussierte MFA überrascht: „Ich wollte nie beim Hausarzt arbeiten, aber jetzt macht es mir echt Spaß, weil man fachlich so viel abdecken kann.“ Trotzdem plant Melanie Dürr schon weiter: Im November will sie ihre Unterstützung für das aktuelle Team langsam ausschleichen. Warum? „Im Dezember werde ich auf Abruf arbeiten, weil eine Krankheitswelle erwartet wird.“

Buchende Praxisinhaber schlagen Tage und Zeiten für ihren Einsatz vor. „Ich entscheide mich, das ist das Gute“, sagt sie. Aber: „Die Stundensatz-Kalkulation war nicht einfach.“ Praxismanagerinnen mit 26 Euro pro Stunde hätten schon ein Spitzengehalt. Als Unternehmerin muss Melanie Dürr anders rechnen, Krankenversicherung, Haftpflichtversicherung und Steuern selbst zahlen und deshalb höhere Honorare aushandeln. Als Dienstleisterin veranschlagt sie Umsatzsteuer und legt eine Kilometer-Pauschale um. Damit ist sie keine Kleinunternehmerin mit einer aktuellen Umsatzgrenze von 20.000 Euro pro Jahr, wie jüngst in einem Presseartikel über sie zu lesen war. „Ich habe mich herangetastet“, lacht sie. „Man wird nicht reich, aber es reicht.“

 

Wartezimmer voll – einfach gehen?

Die mobile MFA regelt ihre Einsatzzeiten mit den Praxisinhabern vor Antritt: „Ich arbeite z. B. von 7:30 bis 16:00 Uhr. Aber was, wenn das Wartezimmer noch voll ist? „Einfach gehen, geht nicht“, sagt sie energisch. „Wenn ich sehe, es geht länger, spreche ich mit dem Praxisinhaber ab, ob ich bleiben oder gehen soll.“ Aktuell sei das aber kein Thema. Die Sprechstunden werden pünktlich beendet. Ein Beweis für optimale Praxisorganisation.

Flexibilität nennt Melanie Dürr als einen Vorteil, den Angestellte nicht haben. Und einen höheren Verdienst. „Aber man muss das wollen“, betont sie. „Ich habe in kurzer Zeit 5 verschiedene Softwareprogramme gelernt.“ Skeptikern an ihrem Geschäftsmodell nimmt sie schnell den Wind aus den Segeln. „Ich verstehe die Argumentation nicht. Ständig nur Quereinsteiger einzustellen ist auch keine Zukunft.“

 

„Habe für mich meinen Beruf gefunden“

Hat Melanie Dürr schon einmal überlegt, aus dem Beruf auszusteigen? Da muss sie nach rund 25 Berufsjahren kurz überlegen. „Klar gibt es manchmal Streit oder man ist unzufrieden, aber ich wollte immer im Beruf bleiben.“ In der Elternzeit 2017 und 2018 arbeitete sie auf Minijob-Basis für Versicherungen und führte Gesundheits-Checks durch. „Ganz weg von der Medizinschiene bin ich nie gekommen, es hat mir immer Spaß gemacht“, sagt sie. Verkauf konnte sie sich nie vorstellen. „Ich habe meinen Beruf gefunden“, steht für sie fest.

Einen Wunsch für die Zukunft hat sie: „Ich sehe, es werden noch mehr mobile MFAs gebraucht, auch ZFAs. Ich habe Anfragen als mobile MFA aus Stuttgart und München, die ich nicht bedienen kann. Auch 3 Zahnärzte brauchen Hilfe. Ich habe kein Konkurrenzdenken und würde gern ein kleines Netzwerk gründen.“ Interessierte Kolleginnen dürfen Melanie Dürr gern fragen, was es auf dem Weg zur Unternehmerin zu beachten gibt.

 

 

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