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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – im Gesundheitswesen besonders häufig

Menschen, die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erleben, schweigen oft - aus Scham, Unsicherheit und vor allem aus Angst vor Konsequenzen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass es im Gesundheitswesen besonders oft zu Übergriffen kommt. Doch was gilt eigentlich als sexuelle Belästigung und was kann man tun, wenn man betroffen ist?

20 % der Berufstätigen in Deutschland haben bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt oder davon Kenntnis erhalten, so eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Genauer beziffert sind das 24 % der Frauen und 15 % der Männer. Auffällig ist: Im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen erlebten 33,3 % der Männer bereits einen sexuellen Übergriff in ihrem Arbeitsumfeld, aber nur 28,3 % der Frauen. Laut den Studienautoren ist es somit wahrscheinlicher, dass Männer selbst betroffen waren oder in ihrem näheren Umfeld von einem Vorfall erfahren haben, wenn sie in Sektoren mit einem relativ hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten tätig sind. Offen bleibt, ob Männer in weiblich dominierten Sektoren häufiger selbst Opfer werden oder eher Fälle im Umfeld mitbekommen. 
 

In den eigenen Reihen

In der Studie wurden überwiegend Fälle angegeben, die innerhalb der Unternehmen stattfanden, an denen also Mitarbeitende oder Vorgesetzte beteiligt waren.

Eine 2024 veröffentlichte Umfrage des Medizinportals Medscape unter mehr als 700 medizinischen Fachpersonen verdeutlicht, wie oft sexuelle Belästigung unter den Mitarbeitenden stattfindet. Ausführende sind demnach zu 

  • 57 % Ärztinnen und Ärzte
  • 14 % Pflegekräfte
  • 6 % MFAs
     

In 46 % der Fälle war die Täterperson den Betroffenen dienstlich übergeordnet. Die meisten Übergriffe (31 %) fanden auf dem Flur statt, 29 % im Behandlungszimmer und 9 % im Wartezimmer.
 

Patientinnen und Patienten als Tatausführende

Nicht zu unterschätzen ist auch die Belästigung durch Patientinnen und Patienten. Die BGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) fand in einer repräsentativen Studie heraus, dass die befragten Beschäftigten im Gesundheitswesen zu:

  • 67,1 % verbale Belästigungen erlebten
  • 62,5 % nonverbale Belästigungen mitbekamen
  • 48,9 % körperlich-sexuelle Übergriffe erfuhren  

 

Was gilt als sexuelle Belästigung?

Sexuelle Belästigung ist nicht immer sofort eindeutig, oft handelt es sich um eine Grauzone aus zweideutigen Andeutungen, beiläufigen Berührungen und herablassendem Verhalten.

Konkrete Beispiele:

Von Mitarbeitenden oder Vorgesetzten:

  • Anzügliche Kommentare über das Aussehen („Heute wieder sexy angezogen, was?“)
  • Erzählen zweideutiger Witze oder Geschichten mit sexueller Komponente
  • Nachrichten mit sexuellen Inhalten (z. B. über WhatsApp)
  • Unerwünschte Berührungen, Umarmungen oder gar Küsse
  • Angebote mit sexuellem Bezug („Wenn du nett zu mir bist, bekommst du bessere Schichten.“)

Von Patientinnen und Patienten: 

  • Obszöne Bemerkungen („In diesem Oberteil haben Sie aber eine knackige Figur“)
  • Versuche, zu berühren oder festzuhalten
  • Exhibitionistische Handlungen oder das bewusste Zeigen intimer Bereiche
  • Wiederholtes Nachfragen nach privaten Angelegenheiten („Sind Sie glücklich mit Ihrem Mann?“)

 

Wie reagiert man richtig?

Die Betroffenen von sexueller Belästigung sind im ersten Moment häufig sprachlos, sodass sie sich nicht unmittelbar wehren können. Dazu kommt die Angst, überzureagieren oder etwas falsch verstanden zu haben. Doch diese Sorgen sind unbegründet. Als sexuelle Belästigung gilt, wenn es zu sexuellen Anspielungen oder Handlungen kommt, die eine der beiden Parteien nicht möchte. Lassen Sie Ihr eigenes Empfinden also nicht herunterspielen nach dem Motto „hier herrscht halt ein lockerer Ton“ oder „jetzt stellen Sie sich mal nicht so an“. In jeder Situation, in der Sie sich unwohl fühlen, haben Sie das Recht zu sagen: „Ich möchte nicht, dass Sie mich so anfassen/so mit mir sprechen.“ Sagen Sie das Ganze möglichst ruhig und deutlich, wenden Sie sich körperlich ab oder gehen Sie weg. 

In größeren Praxen können sich Betroffene bei Belästigung durch Mitarbeitende oder Vorgesetzte an den Betriebsrat oder die Gleichstellungsbeauftragte wenden. In kleineren Praxen können sie Hilfe bei spezialisierten Beratungsstellen suchen, z. B. beim Frauennotruf, beim Hilfetelefon oder beim Männer-Hilfe-Telefon.

 

MT

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