Wie soziale Roboter Zahnarztpraxen entlasten können
Wer dachte, junge Patienten müssten sich digitalen Innovationen gegenüber besonders aufgeschlossen zeigen, wird in der Praxis für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie unter der Leitung von Dr. Herzlieb in Würzburg eines Besseren belehrt. Als der soziale Roboter namens Pepper 2021 am Empfang der Praxis seinen ersten Auftritt hatte, waren besonders die Senioren, insbesondere die Ü70 hellauf begeistert. „Die Jugendlichen waren kurz interessiert, haben sich dann aber schon bald wieder ihrem Smartphone zugewandt. Die Senioren hingegen haben sich lange mit Pepper beschäftigt. Damit hatten wir nicht gerechnet“, erinnert sich Praxismanagerin Melli Häußler. „Überhaupt hat Pepper die Patienten, die im Wartezimmer darauf warten, aufgerufen zu werden, sehr gut unterhalten und für Ablenkung gesorgt. Schließlich begegnet man einem sozialen Roboter im Praxisalltag nicht alle Tage.“
Der soziale Roboter Pepper
Aber der Reihe nach. Wer ist Pepper? Pepper ist 1,20 m groß, hat eine menschenähnliche Statur und auf ihrer Brust (in der Praxis von Dr. Dr. Herzlieb werden Pepper weibliche Züge attestiert, daher ist immer von „ihr“ die Rede!) ist ein Tablet installiert. In der Praxis für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie spricht Pepper ausschließlich Deutsch. Die Patienten antworten auf die Fragen Peppers aber nicht direkt, sondern indirekt, indem sie die auf dem Display des Tablets befindlichen Buttons drücken. Pepper übernimmt in der Praxis die Begrüßung und den Empfang der Patienten. „Das sorgt beim Praxisteam für Entlastung, denn Pepper nimmt die Patienten in Empfang, auch wenn die Mitarbeiterinnen gerade ein Telefonat führen, bei der Behandlung assistieren oder anderweitig beschäftigt sind“, freut sich Melli Häußler.
Experimentierfeld Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
Und wie kam die Praxis von Praxismanagerin Melli Häußler dazu, Pepper bei sich zu beschäftigen? „Dr. Dr. Herzlieb lernte beim Sport an der Uni Würzburg einen Mitarbeiter kennen, der an einem Projekt namens Digitales Experimentierfeld für Unternehmen beteiligt war. Der erzählte ihm, dass die Uni Kooperationspartner in der Wirtschaft suche, die Interesse daran hätten, einen Prototypen wie Pepper in der Praxis zu testen und die Praxiserfahrungen mit der Uni zu teilen.“ Herzlieb zögerte nicht lange und sagte zu. Nicht nur, weil er sich Neuem gegenüber stets aufgeschlossen zeigte, sondern weil er auch auf die volle Unterstützung seines IT-Administrators und seines Teams zählen konnte.
Das Projekt mit dem kryptischen Namen „ESF-ZDEX-Digitales Experimentierfeld für Unternehmen“ ist an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg angesiedelt und läuft dort noch bis Ende des Jahres. Es wird vom Europäischen Sozialfonds der EU mit Fördergeldern bedacht und hat zum Ziel, die digitale Arbeit – die Arbeit 4.0 – in kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern und Digitalisierungsprozesse nachhaltig zu stärken. In einem der drei integrierten Netzwerke des Projekts können die Kooperationspartner so unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Lugrin und Prof. Dr. Thomas Dandekar kostenlos soziale Roboter für ihr Unternehmen testen. „Digitalisierung bietet viele Chancen, Arbeitsprozesse zu erleichtern, Arbeitnehmer zu entlasten und die Wirtschaft zu stärken“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medieninformatik an der Uni Würzburg Martina Lein, die das Projekt begleitet. „Im Kontext der Arztpraxis von Dr. Dr. Herzlieb ist das Ziel eines sozialen Roboters unter anderem, das Personal zu entlasten und den Mitarbeitenden Zeit für Aufgaben zu schaffen, die ohne die Unterstützung des Roboters vernachlässigt werden müssen, z. B. zu Stoßzeiten. Allein die Begrüßung und der Empfang der Patienten bietet den Mitarbeitenden laut unserer Erfahrungen eine Arbeitsentlastung, da begonnene Arbeitsabläufe fertiggestellt werden können, während der Roboter die Begrüßung übernimmt“, fasst Martina Lein den Benefit in der Praxis von Dr. Dr. Herzlieb zusammen.
Team und Patienten sind begeistert
Das Team freue sich schon darauf, wenn Pepper, die zunächst für wenige Wochen im Einsatz war, wieder in die Praxis komme, ist sich Melli Häußler sicher. Dann nämlich soll sie nicht nur Patienten begrüßen und empfangen, sondern auch ins Behandlungszimmer begleiten. Auf die Frage, ob das Team Pepper uneingeschränkt auch anderen Zahnarztpraxen empfehlen könne, antwortet sie: „Auf jeden Fall.“
Und was sagen die Patienten? „Unsere Patienten haben Pepper super angenommen“, meint Melli Häußler. Befragt, was sie von Pepper in der Praxis hielten, meinte der überwiegende Teil, Pepper sei ihnen sympathisch und ihnen gefiele die Anwesenheit des Roboters. Viele von ihnen würden Pepper auch in Zukunft gerne nutzen. Wer nicht mit Pepper interagieren wolle, brauche dies im Übrigen nicht zu tun, betont Martina Lein. Alles geschehe auf freiwilliger Basis. Deshalb werde auch die Kritik, die das Team und die Patienten äußerten, sehr ernst genommen. Der Prototyp soll schließlich Schritt für Schritt verbessert werden.
Zum Hintergrund
Pepper ist ein sozialer Roboter der Firma SoftBank Robotics, der auf dem Markt frei erhältlich ist. Die Medieninformatik der Uni Würzburg, die an dem Projekt beteiligt ist, entwickelt Softwarelösungen, mit der die Interaktion von Mensch und Roboter verbessert werden soll. An dem Projekt sind aktuell 57 kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Raum Würzburg beteiligt. Darunter 5 Arzt- und Zahnarztpraxen.
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