| Magazin

Wenn Symptome übersehen werden: Was hinter dem Begriff „Medical Gaslighting“ steckt

Viele Patientinnen – besonders junge Frauen – fühlen sich in Arztpraxen nicht ernst genommen. Eine neue Studie zeigt: Das ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem. Was steckt hinter dem Phänomen „Medical Gaslighting“? Und wie kann der Praxisalltag für Betroffene sensibler gestaltet werden?

Medical Gaslighting beschreibt Situationen, in denen Personen das Gefühl haben, ihre Beschwerden würden nicht ernst genommen und daher weder richtig untersucht noch adäquat behandelt. Besonders Frauen sind betroffen und bleiben schlimmstenfalls medizinisch unterversorgt.

Eine aktuelle Studie von Doctolib und YouGov zeigt, wie weit verbreitet Medical Gaslighting tatsächlich ist: 

  • 31 % der Frauen fühlen sich im Gesundheitssystem benachteiligt (zum Vergleich: nur 10 % der Männer).
  • Besonders häufig betroffen: Frauen zwischen 18 und 34 Jahren. Über die Hälfte der jungen Frauen vermeidet sogar Arztbesuche aus Angst, nicht ernst genommen zu werden.
  • 33 % haben den Eindruck, ihre Schmerzen würden seltener ernst genommen als die von Männern.
  • 27 % erhalten laut eigener Einschätzung seltener die nötige Behandlung.
  • 44 % berichten, dass ihre Beschwerden vorschnell als „psychisch“ eingeordnet wurden.
  • 57 % mussten mehrere medizinische Fachpersonen aufsuchen, bevor eine Diagnose gestellt wurde.

     

Diese Zahlen zeigen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem im Gesundheitssystem allgemein, aber auch in den ärztlichen Praxen.

 

Mögliche schwerwiegende Folgen

Medical Gaslighting kann langfristige Folgen haben:

  • Verzögerte Diagnosen: Wenn Beschwerden zu früh abgewertet werden, wird oft erst spät oder falsch behandelt.
  • Vertrauensverlust: Das Verhältnis zwischen Praxis und Patientin oder Patient leidet, Termine werden nicht wahrgenommen, der Informationsaustausch stockt.
  • Frustration auf beiden Seiten: Medical Gaslighting kann wiederholte Nachfragen, Unzufriedenheit oder emotionale Reaktionen nach sich ziehen. Das belastet auch das Praxispersonal.

 

Warum trifft es vor allem Frauen?

Ein vermuteter Grund: Viele medizinische Leitlinien und Studien basieren historisch auf männlichen Normwerten. Symptome zeigen sich bei Frauen aber oft anders, z.B. bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen.

Zudem wirken gesellschaftliche Rollenbilder mit: Frauen gelten immer noch als „emotional“ oder „überempfindlich“. Ein Vorurteil, das sich auch im medizinischen Alltag widerspiegeln kann.

Krankheiten, die als klassische „Frauenkrankheiten“ gelten, sind oft schwer zu diagnostizieren, darunter Migräne, PCOS oder Endometriose. Die diffusen Symptome werden oft als „psychisch“ abgetan, da sie schwer nachzuweisen sind. 

  • 40 % der Frauen sagen, solche Erkrankungen wurden bei ihnen oder anderen nicht ernst genommen
  • 35 % der Frauen sagen, sie wurden zu spät erkannt
  • 34 % der Frauen sagen, sie wurden falsch behandelt

 

Verbesserungen im Praxisalltag

Auch als MFA können Sie viel dafür tun, dass Patientinnen und Patienten sich wahr- und ernstgenommen fühlen. 

  • Sensibilität im Erstkontakt
    Wer aktiv zuhört, Beschwerden ernst nimmt und Rückfragen stellt, legt den Grundstein für ein respektvolles Miteinander – auch schon am Empfang. 
  • Bewusstsein für Gender-Bias
    Ein geschlechtersensibler Blick kann helfen, typische Verzerrungen zu erkennen: z.B. wenn ein und dasselbe Symptom bei Männern als „alarmierend“, bei Frauen aber als „harmlos“ bewertet wird.
  • Klare Kommunikation im Team
    Gerade bei unspezifischen Beschwerden hilft es, sich intern und interdisziplinär auszutauschen und objektiv zu bewerten, ob eine weitere Abklärung sinnvoll ist, statt vorschnell psychische Ursachen zu vermuten.
  • Offenheit für Rückfragen und Zweitmeinungen
    Wenn Patientinnen oder Patienten das Bedürfnis nach einem weiteren Termin oder noch Rückfragen haben, sollte das nicht als nervig, sondern als eigenverantwortlich betrachtet und behandelt werden.

 

MT

© 2025 PKV Institut GmbH. Alle Rechte vorbehalten.


Sämtliche Texte und Bilder in unserem Online-Magazin sind urheberrechtlich geschützt. Bitte beachten Sie, dass auch dieser Artikel urheberrechtlich geschützt ist und nur mit schriftlicher Genehmigung des PKV Instituts wiederveröffentlicht und vervielfältigt werden darf. Wenden Sie sich hierzu bitte jederzeit unter Angabe des gewünschten Titels an unsere Redaktionsleitung Silke Uhlemann: redaktion(at)pkv-institut.de. Vielen Dank!

Die Nutzung der Inhalte des Online-Magazins für Text und Data Mining im Sinne des § 44b UrhG ist ausdrücklich vorbehalten (§ 44b Abs. 3 UrhG) und daher verboten. Die Inhalte dieses Werkes dürfen nicht zur Entwicklung, zum Training und/oder zur Anreicherung von KI-Systemen, insbesondere von generativen KI-Systemen, verwendet werden. 

Werden Sie jetzt Qualitätsmanagementbeauftragte!

Bringen Sie ihre Karriere voran - flexibel und praxisnah!